Herbert Brettl
Das Kriegsgefangenen – und
Internierungslager Boldogasszony/Frauenkirchen
„Sie leben nicht mehr der
Gegenwart, sondern der Zukunft zuliebe.“
Vorwort
Rund einen halben Kilometer
westlich von Frauenkirchen, ungarisch als Boldogasszony bezeichnet, in Richtung
Podersdorf steht eine Hinweistafel, die auf einen Kriegsgefangenenfriedhof, im
Volksmund, Serbenfriedhof genannt, aufmerksam macht. Auf dem Gelände des
weitläufigen Areals befinden sich eine kleine Kapelle, ein Mahnmal in
serbischer Sprache, Steinkreuze und eine wenig aussagekräftige Gedenktafel. In
Frauenkirchen selbst existieren eine Lagerstraße und ein Lagerhof, doch
Informationen über die Herkunft der Bezeichnungen sucht man vergeblich. Etwas
Mystisches liegt im Raum, wenn die Bevölkerung von einem Lager spricht, jedoch
nichts Genaueres davon weiß.
Tatsachlich wurde im Herbst
1914 in Boldogasszony/Frauenkirchen eines der größten Gefangenenlager der
osterreich-ungarischen Monarchie errichtet. Die Geschichte des Lagers, das
zugleich ein Internierungs, Kriegsgefangenen und Kriegsgefangenenoffizierslager
war, ist vielfaltig, komplex und durchaus verworren. Um den Spuren des Lagers
zu folgen, ist es notwendig, sich nicht nur nach Wien, sondern auch nach
Budapest und insbesondere nach Bratislava zu begeben. Die historischen
Dokumente befinden sich heute in verschiedenen Archiven, da sich das Lager in
einem Gebiet befand, das damals von Ungarn politisch verwaltet wurde, dessen
militärischer Oberbefehl in Wien lag und dessen militärisches Kommando in
Pozsony/Bratislava war. Während die Quellenlage im Burgenland marginal ist,
fanden sich etwas überraschend auch Fotos und Dokumente in Belgrad, Genf, Basel
oder Minneapolis. Die Wirren während des Zerfalls der Monarchie, die Abtrennung
der Armeekommandostadt Pozsony, der Streit um die Abtrennung und um den späteren
Anschluss des Burgenlandes erschwerten die Dokumentation über den Aufbau und
erst recht über das Ende des Lagers.
Im folgenden Buch wird
versucht, die Geschichte des Lagers Boldogasszony/Frauenkirchen und die
Situation der Gefangenen etwas zu beleuchten. Die Lagerinsassen waren Serben,
Russen, Montenegriner, Italiener, Mazebulgaren und andere, die hier Jahre,
sofern sie überlebten teilweise bis zum Ende des Krieges, inhaftiert waren. Ihr
Leben im Lager wurde von einem Arzt des Roten Kreuzes wohl treffend mit der
Aussage beschrieben: "Sie leben nicht mehr der Gegenwart, sondern der
Zukunft zuliebe."
Einleitung
Kriegsgefangene im
historischen Zeitraffer
Die Gefangennahme
feindlicher Soldaten verfolgt das Ziel, dem Gegner möglichst viele wehrfähige
Männer zu entziehen, um ihm bei seinen Kriegsaktivitäten zu schaden. Lange Zeit
in der Geschichte erwartete die Kriegsgefangenen, auf Triumphzügen der
siegreichen Feldherren als Kriegsbeute zur Schau gestellt, das Schicksal der
Versklavung. Vielfach wurden Kriege nämlich zum Zweck der Sklavenbeschaffung
geführt, da der Gefangene zu jeder Zeit einen wichtigen Wirtschaftsfaktor
darstellte. Nachdem aus religiösen Gründen nach dem dritten Laterankonzil 1179
der Verkauf von Christen in die Versklavung verboten worden war, war es nicht
mehr rentabel, viele Gefangene zu machen. Im Mittelalter und in der Neuzeit
wurden Gefangene auf dem Schlachtfeld niedergemacht, nach Abgabe des
Ehrenwortes laufen gelassen oder gegenseitig ausgetauscht. Lange
Gefangenschaften waren nicht erstrebenswert, da die Gefangenen versorgt werden
mussten. Während die Genfer Konvention 1864 international gültige Richtlinien
zur Behandlung von kranken und verwundeten Soldaten brachte, blieb die
Betreuung der Kriegsgefangenen weiterhin den jeweiligen Ländern überlassen.
Während des Amerikanischen
Bürgerkrieges (1861-1865) gerieten rund 400.000 Soldaten in die Hand des
Feindes. Die alte Gepflogenheit, Gefangene gegen Ehrenwort freizulassen oder
auszutauschen, war kaum mehr gegeben, da man die Gefangenen am Beginn des
Krieges auf beiden Seiten als Kriminelle betrachtete und die schwarzen
Gefangenen von den Konföderierten aus rassistischen Gründen nicht als
Kriegsgefangene anerkannt wurden. In der Annahme, dass der Krieg bald beendet
sei, brachte man sie in sogenannte Zwischenlager. Überfordert von der großen
Anzahl der Gefangenen und den kaum getroffenen Vorkehrungen wurden die Lager
zum Albtraum. In den total überfüIIten Einrichtungen fehlte es an sanitären Maßnahmen
und Nahrungsmitteln, sodass über 56.000 Soldaten an Krankheiten wie Ruhr,
Durchfall, Flecktyphus, etc. in der Gefangenschaft starben. Der erste moderne
Krieg führte zu einer Katastrophe des Kriegsgefangenenwesens.
Im Deutsch-Französischen
Krieg von 1870/71 kamen rund 400.000 Franzosen, meist irreguläre Kombattanten,
in deutsche Kriegsgefangenschaft. Weil der Krieg kurz war, konnten diese noch
relativ gut versorgt werden, doch wurde das Kriegsgefangenenproblem so in das
Bewusstsein der europäischen Öffentlichkeit und Politik gebracht.
Nach den Erfahrungen aus
dem Amerikanischen Bürgerkriegs und aus dem Krieg von 1870/71 waren zunehmend
mehr Staaten bereit, ein für alle geltendes Kriegsrecht zu schaffen.
Die Haager
Landkriegsordnung
Während
durch die Genfer Konvention von 1864 der Schutz und die Versorgung von kranken
und verwundeten Soldaten in Aussicht gestellt wurden, blieben die Bemühungen,
das Kriegsrecht zu kodifizieren, zunächst erfolglos. Erst in der Haager
Konvention/Landkriegsordnung von 1899 bzw. 1907, die von 44 Staaten, darunter Österreich-Ungarn,
Deutschland, Russland, die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich,
Unterzeichnet wurde, einigte man sich auf eine völkerrechtliche Regelung der Kriegsführung.
Dabei wurden auch Bestimmungen formuliert, die die Behandlung von Gefangenen
durch die Feindstaaten regelten und es wurde klar zum Ausdruck gebracht, dass
Kriegsgefangene zwar der Gewalt der feindlichen Regierung unterstehen, aber
nicht als Strafgefangene angesehen werden dürfen. Zudem regelte das Abkommen
die Unterbringung der Feindsoldaten sowie deren Verwendung als Arbeitskräfte.
Die
kriegsteilnehmenden Staaten waren auch verpflichtet, für den Unterhalt der
Gefangenen aufzukommen und diese hinsichtlich Kleidung, Unterkunft und Nahrung
in gleichem Masse zu versorgen wie die eigenen Truppen. Zusätzlich stand den
gefangenen Offizieren ein Sold zu, der in seiner Höhe dem Sold von
dienstgradgleichen Offizieren des Feindstaates entsprach.
Die einzelnen
Artikel der Bestimmungen galten als verbindliches Völkerrecht, doch kam es
immer wieder zu Fallen der Missachtung, da man in der Praxis oftmals von der
Theorie abwich. Ebenso fiel die Interpretation der Haager Landkriegsordnung
sehr unterschiedlich aus. Zum Zeitpunkt des Abkommens machte sich auch noch
niemand konkrete Vorstellungen über künftige Engpasse jeglicher Art oder
Lebensmittelknappheit, die sich im Alltag auf den Umgang mit den
kriegsgefangenen Mannschaftssoldaten und Offizieren auswirkten.
Im
Ersten Weltkrieg stand die Haager Landkriegsordnung zum ersten Mal in großem
Ausmaß auf dem Prüfstein. Bereits in den ersten Kriegswochen gelangten
hunderttausende Soldaten in Gefangenschaft. In den weiteren Kriegsjahren, als
rund acht Millionen in Lagern einsaßen, zeigten sich die verschiedenen Formen
der Umsetzung und die Probleme der Haager Landkriegsordnung.
Der „große
Krieg" und die Kriegsgefangenschaft
Mit
Ausbruch des „Großen Krieges“, später als Erster Weltkrieg bezeichnet, beginnt
in der Geschichte eine neue ära
der Kriegführung. In geographischer Hinsicht, wegen der Quantität der
mobilisierten Soldaten und der verwendeten Ressourcen sowie angesichts der
umfassenden strategischen Ziele der kriegsteilnehmenden Staaten lasst sich der „Große
Krieg“ als „totaler Krieg“ definieren. Auch die Dimension der
Kriegsgefangenschaft stellte alles bisher Dagewesene in den Schatten.
Zwischen
acht und zehn Millionen Soldaten und Zivilisten befanden sich während des
Krieges in Gefangenschaft. Insbesondere an der östlichen und südöstlichen
Front, wo im Gegensatz zur westlichen und südwestlichen Front bis 1917 ein
Bewegungskrieg stattfand , war die Möglichkeit in Gefangenschaft zu geraten, um
ein Vielfaches höher. Österreich-Ungarn und Deutschland machten zusammen etwa
die Hälfte aller Kriegsgefangenen. Ende Oktober 1918 waren es auf deutscher
Seite rund 2,4 Millionen, während Österreich-Ungarn zwischen 1,2 und 1,8
Millionen Gefangene in die Hände fielen. Die Kriegsteilnahme der USA, Japans
und der Kolonialstaaten trug dazu bei, dass über den ganzen Globus verteilt
Gefangenenlager errichtet wurden.
Die
Kriegsgefangenenlager in der Monarchie – Standortwahl
Strategie
des Militärs war, die feindlichen Soldaten so rasch als möglich aus dem
Kampfgebiet in nicht unmittelbar betroffene Regionen zu bringen. Neben den österreichischen
Kronländern Cisleithaniens kamen hier aufgrund ihrer Entfernung von der Front
die Gebiete Transleithaniens in Betracht, insbesondere der Militärkommandobereich
Pozsony. Böhmen und Mahren wurden als Kriegsgefangenenstandort aus politischen Gründen
ausgeschlossen, da man die dortige slawische Bevölkerung als politisch unzuverlässig
einstufte. Ernst von Streeruwitz, zuständig für den Kriegsgefangenenschutz in
der Habsburgermonarchie, meinte dazu, dass man die dortige Bevölkerung
beschuldigte, keine Distanz gegenüber den russischen Gefangenen einzuhalten.
Als
Italien im Mai 1915 als Kriegsgegner von Österreich-Ungarn auftrat, wurden die
Lager in Tirol, Kärnten und der Untersteiermark aufgegeben. Bereits kurz nach
Kriegsausbruch wurden tausende Kriegsgefangene von der Front ins Hinterland
gebracht. Als bevorzugte Objekte für die „Bequartierung" sah man
militärische Bauten, wie ungenutztere Festungsanlagen oder Truppenübungslager,
vor. Die Österreich-Ungarische Monarchie konnte diesbezüglich auf keine
Erfahrungen zurückgreifen und die Zivil- und Militärbehörden waren auf die große
Zahl von Kriegsgefangenen unzureichend vorbereitet. Probleme schaffte die
Unterbringung der Kriegsgefangenen. Sie wurden vielfach in primitiven
Behelfsquartieren, wie Zeltlagern, Erdhütten, leer stehenden, zum Teil halb
verfallenen, Fabrikgebäuden oder Kleistern untergebracht.
Dem
Kriegsverlauf entsprechend erfolgte die Gefangennahme in drei gröberen Phasen:
nach der kurzfristigen Einnahme Belgrads, bis zum Jahresende 1914, nach der
Rückeroberung grober Teile Galiziens im Frühjahr 1915 und nach der Offensive
gegen Italien im Herbst 1917. lm Dezember 1914 befanden sich bereits an die
200.000 feindliche Soldaten in Österreich-Ungarischer Kriegsgefangenschaft. Bis
Ende 1918 waren nach statistischen Angaben in Österreich-Ungarn 916.000 Soldaten
in Lagern interniert.
Um diese
Massen an Kriegsgefangenen bewältigen zu können, beschloss die k.k. Militärverwaltung,
in diesem Fall das Kriegsüberwachungsamt, so rasch wie möglich groß angelegte,
einfacher zu bewachende Sammellager im Hinterland der Monarchie zu errichten. Zunächst
wurden Flächen im Umfeld von Kasernen, Exerzier oder Truppenübungsplätzen herangezogen.
Als man diesbezüglich alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatte, musste man sich
nach anderen Anwesen umsehen. Kommissionen des Kriegsministeriums hatten zu prüfen,
ob die Lagerstandorte neben den politischen und militärischen Faktoren auch ökonomische
Bedingungen und Auflagen erfüIIten. Dabei wurden Flachen von Großgrundbesitzern
bevorzugt. Diese Flächen wurden vom Kriegsministerium befristet gepachtet und
zudem wurde die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes der Grundstücke
nach der Benutzung vereinbart. Weiters sollten die Kommissionen beachten, dass die
Grundstucke trocken waren und bestenfalls Schotterboden aufwiesen, da sich diese
besser zum Aufbau der Baracken und zur Anlage von Wegen eigneten. Ebenso sollten
sich die Lager nicht direkt in bewohnten Gebieten befinden. Um den Transport
der benötigten Lebensmittel, Baumaterialien, Wachmänner und Gefangenen einfacher
gestalten zu können, sollte außerdem eine gute Anbindung ans Eisenbahnnetz
gegeben sein.
Sofern
die Militärbehörden eine Flache ausgewählt hatten, so konnte dies nach dem
Kriegsleistungsgesetz aus dem Jahre 1912 nicht mehr verhindert werden. Die
betroffenen Landesstatthaltereien oder Gemeindebehörden hatten bei der
Errichtung lediglich ein Recht auf Anhörung und kein Vetorecht.
In kürzester
Zeit wurden in der Monarchie ab Herbst 19 14 an die 50 Kriegsgefangenenlager
errichtet; die Offiziersstationen oder Internierungslager wie Neusiedl am See
nicht mitgerechnet. Nach einer Weisung des Kriegsministeriums sollten gefangene
Offiziere in „gesonderten Internierungsstationen“ untergebracht werden, „wo sie
bessere Existenzbedingungen finden als in den Massenlagern“.
(p. 10)
Die Gefangenenlageranzahl variierte, da im Laufe
des Krieg es neue dazukamen oder andere geschlossen wurden. Im Jahr 1918
bestanden folgende Lager:
1) Aschach an der Donau
2) Bruck-Királyhida
3) Braunau am Inn
4) Boldogasszony
5) Braunau in Böhmen
6) Brüx
7) Csόth bei Papa
8) Deutsch-Gabel
9) Dunaszerdahely
10) Eger in Böhmen
11) Freistadt
12) Feldbach-Mühldorf
13) Grödig bei Salzburg
14) Hart bei Amstetten
15) Hajmásker
16) Heinrichsgrün
17) Josefstadt
18) Kenyérmezö-Tabor
19) KleinMünchen
20) Knittelfeld
21) Lebring in der Steiermark
22) Marchtrenk
23) Milowitz
24) Mauthausen
25) Mühling
26) Nagymegyer
27) Ostffyassonyfa
28) Oswiecim/Auschwitz
29) Plan
30) Purgstall an der Erlauf
31) Reichenberg
32) Sigmundsherberg
33) Somorja
34) Spratzern
35) Sopronnyék
36) Sternth al bei Pettau
37) Szatmárnémeti
38) Theresienstadt
39) Wadowice
40) Wieselburg an der Erlauf
41) Zalaegerszeg
Die
Errichtung der Lager erfolgte wegen der großen Menge an Gefangenen unter
massivem Zeitdruck und unter solchen finanziellen Rahmenbedingungen, dass
Missstande bei der Errichtung vorhersehbar waren. Die anfangs nur notdürftig
errichteten Baracken und andere Provisorien wurden dem Ansturm an
Kriegsgefangenen in allen kriegführenden Staaten nur teilweise gerecht. Die ersten
Lagerkomplexe bestanden vielfach noch aus einfachen Zeltreihen oder
Holzbaracken, wobei die sanitären Einrichtungen massiv vernachlässigt wurden.
Die man gelhaften hygienischen Vorkehrungen und die massive Konzentration von
Personen auf engstem Ra um führten im Winter 1914/15 dazu, dass sich Epidemien
wie Flecktyphus rasch ausbreiten konnten. Um diese Unzulänglichkeiten zu
beseitigen und um die geforderten bauhygienischen Richtlinien zu erfüIIen,
forderte und erledigte das Kriegsministerium im Frühjahr 1915 noch rasch
entsprechende Adaptierungsarbeiten.
Lagerfriedhof – Kriegsgräberfürsorge
Der
Lagerfriedhof
Wann der
Friedhof genau angelegt wurde, ist nicht belegt. Seine Errichtung durfte jedoch
beinahe gleichzeitig mit der des Lagers erfolgt sein, da es keine Angaben zu
verstorbenen und am Ortsfriedhof beerdigten Kriegsgefangenen gibt. Der Friedhof
befindet sich im Besitz der Domäne Esterhazy und ist im Grundbuch als „öffentlicher
Beerdigungsplatz“ eingetragen. Das Areal umfasst 19.000 m2 und ist
176m breit bzw. 140m lang, wobei die rechte Seite abgeschrägt ist.
Während
das Lager von Inspektionen geprüft und beschrieben wurde, findet man über das
Aussehen des Friedhofes während des Lagerbetriebes von 1914 bis 1918 nur die
Beschreibung des Arztes Otto Knüsel aus dem Jahre 1916: „In langen Reihen
sind die Grabhügel nebeneinander. Hinter jedem Hügel steht ein einfaches
schmuckloses Kreuz mit dem Namen oder der Nummer des Toten. In den Massengräbern
liegen die Toten des Flecktyphus. Lange flache Beete. In einem Massengrab liegen
400 Tote. Die Flecktyphusepidemie ist erloschen und nun erhält wieder jeder
Tote sein Einzelgrab. Daneben gibt es noch drei größere reichverzierte Kreuze.
Hier liegen drei Offiziere, Opfer der Seuche. Sie sind mit militärischen Ehren
bestattet worden. Eine Aufschrift: ‚Hier ruht Dr. D., kaiserlich, russischer
Oberstabsarzt. Das Opfer seines edlen Berufes'."
Die
sogenannten „schmucklosen Kreuze" waren einfache Holzkreuze, die teilweise
bereits kurz nach der Auflassung des Lagers von Holzsuchenden entwendet wurden.
1929 berichtete der Friedhofsaufseher von abgefaulten verbliebenen Holzkreuzen.
Deshalb waren die Graber nur mit fortlaufenden Nummern versehen worden. Zu
diesem Zeitpunkt befanden sich am Friedhof auch noch zwei Eisenkreuze von
montenegrinischen Offizieren mit der cyrillischen Aufschrift „C.H.II“.
Da von
rund 6.000 im Lager Verstorbenen nur rund 2.200 Tote mit ungarischen Vornamen
in der Gemeinde matrikuliert wurden, und da die Aufzeichnungen des
Lagerkommandos nur unvollständig erhalten sind, ist keine konkrete Auflistung
der auf dem Friedhof Begrabenen möglich. Es kann davon ausgegangen werden, dass
rund 95% aller Beerdigten aus Serbien kamen. Nach Angaben der Matrikelbücher
finden sich noch 50 Montenegriner, 15 Russen, zwei Bulgaren, zwei Rumänen, ein
Italiener, ein Albaner und fünf Unbekannte unter den Beigesetzten. Andere
Aufzeichnungen weisen 50 italienische Gefangene aus, die auf dem Friedhof des
Lagers Boldogasszony begraben sind.
Der
Friedhof während der 1. Republik und im Nationalsozialismus
Im
Friedensvertrag von Saint-Germain-en-Laye 1919 verpflichtete sich österreich, dafür Sorge zu tragen, dass
die Grabstätten von Kriegstoten, die sich auf österreichischem Territorium
befinden, gepflegt und instandgehalten werden. Auch die alliierten und
assoziierten Mächte. Übernahmen freiwillig eine derartige Verpflichtung. Die österreichische
Regierung betraute ihrerseits wieder das 1919 gegründete „Schwarze Kreuz“ mit
der Umsetzung dieser Vereinbarung. Das deutschösterreichische Kriegsgefangenen-
und Zivilinterniertenamt wies im Juni 1919 jene Gemeinden, in denen sich
vormals Gefangenenlager befanden, an, die Pflege der Lagerfriedhofe zu übernehmen.
In Ungarn durfte eine ähnliche Regelung getroffen worden sein. Die Gemeinde
Frauenkirchen betraute 1919 Martin Wetschka mit der Pflege des Friedhofes. Nach
seinen Angaben wurden von ihm bis April 1927 einige Erhaltungsmaf3nahmen am
Friedhof durchgeführt. So wurden unter anderen die Drahteinzäunung und die
Betonpfeiler rund um den Friedhof erneuert, das Gittertor der Kapelle durch ein
Holztor ersetzt, die Kapelle geweissnet und deren eingeschossene
Fensterscheiben ersetzt, die Graber mit Schotter und Sand aufgefüIIt, Grassamen
aufgebracht und Kastanienbaume rund um die Anlage gepflanzt. Ob Martin Wetschka
für seine Arbeiten auch bezahlt wurde, ist nicht bekannt, doch konnte er 6-10 q
Heu, das am Friedhof geschnitten wurde, zu seinem Nutzen verwenden.
Zu den
Aufgaben des Verwalters gehörte auch die Aufsicht über den Lagerfriedhof. Der
Friedhof, im Volksmund „Serbenfriedhof“ genannt, war in den 20er-Jahren für die
Ortsbevölkerung ein beliebtes Ausflugsziel. Um Verwüstungen vorzubeugen, ließ
deshalb der Verwalter an Sonn- und Feiertagen sowie an schulfreien Tagen am
Friedhof einen Wachter aufstellen; 1930 trat ein allgemeines Betretungsverbot für
Spaziergänger in Kraft. Serbische Delegationen fanden sich beinahe jährlich auf
dem Lagerfriedhof ein, um mit einem Geistlichen eine Gedenkfeier abzuhalten.
Diesen Feierlichkeiten wohnten auch Vertreter der Gemeinde und im Juni 1926 der
Bundeskanzler und der Landeshauptmann bei.
Auch
italienische Delegationen trafen immer wieder auf dem Lagerfriedhof in
Frauenkirchen ein. Eine besondere Gedenkfeier fand am 28. August 1927 statt.
Dabei versammelten sich die Gemeinderate, die Freiwillige Feuerwehr, die örtlichen
Vereine und die Schuljugend bei der Kirche und marschierten zum Lagerfriedhof, um
dort Aufstellung zu nehmen. Zur selben Zeit trafen am Bahnhof Landesrat Thullner,
Vertreter der Bezirkshauptmannschaft und eine militärische Abordnung aus
Neusiedl am See ein. Diese wurden von Gemeindevertretern empfangen und mit
Fuhrwerken vom Bahnhof zur Kirche gebracht, wo zu Ehren der Gefallenen aus
Frauenkirchen ein Kranz niedergelegt wurde. Danach begaben sich die Ehrengaste
zum Friedhof. Zur selben Zeit reisten eine italienische Delegation, ein
Gesandter und ein Militärattaché mit Vertretern des „Schwarzen Kreuzes“ in zwei
Autos an. Beim Eintreffen der italienischen Delegation am Friedhof spielte die
Militärmusikkapelle aus Neusiedl am See die italienische Nationalhymne „marcis
reale“. Das Programm der Gedenkfeier beinhaltete eine Feldmesse, die Einweihung
und Übergabe der italienischen Gedenktafel, die Niederlegung von Kränzen und
Ansprachen der Ehrengaste. Vor der Verabschiedung der Ehrengaste gab es noch
einen kleinen Umtrunk und ein „bescheidenes Essen“.
1933 gab
es auch Plane, den Friedhof teilweise aufzulassen. Die italienische Regierung äußerte
den Wunsch, die 50 am Friedhof beerdigten italienischen Soldaten zu exhumieren
und die Toten in ein Zentralgrab nach Wien zu bringen. Als Verwalter Martin
Wetschka dieses Unternehmen für nicht durchführbar erklärte, da die Graber
nicht gekennzeichnet waren, ließ die italienische Regierung von ihrem Vorhaben
wieder ab.
Auch während
des Nationalsozialismus fanden am Lagerfriedhof sogenannte „Heldenehrungen"
statt. Anlässlich des St. Veittages am 3. Juli 1939 wurde der neue Verwalter
Ing. Franz Sander aus Tadten - der vorherige Verwalter war Mitglied der Vaterlandischen
Front und wurde somit vom Regime enthoben - angewiesen, eine Feier zu
organisieren und Graber, Friedhof bzw. Wege in bester Ordnung herzustellen. Für
die Feier wurde ein Kranz mit Hakenkreuzschleife angefertigt, den zwei Männer
in Uniformen niederlegten.
Der
Friedhof nach 1945
Über
etwaige Verwüstungen während des Krieges oder bei Kriegsende ist nichts bekannt.
Die ersten Aufzeichnungen nach 1945 finden sich 1954, als die Regierung
Jugoslawiens ein Denkmal in Form eines Obelisken, das bereits 1930 geplant war,
am Friedhof errichtete.